Ein Abend voller Emotionen
Sein 1050-jähriges Bestehen feierte der weltbekannte Chor mit einer vierstündigen Gala im Audimax der Universität Regensburg.
Ob der hl. Bischof Wolfgang von Regensburg 975 ahnte, als er die Domschule zur Ausbildung von Kleriker-Nachwuchs gründete, dass damit der Startschuss für ein bewegtes Kapitel der Musikgeschichte gegeben wurde? Bis zum September 2022 hätte man von der „ältesten Boygroup der Welt“ sprechen können. Dann wurde der Mädchenchor der Regensburger Domspatzen gegründet, mit der wieder ein neues Kapitel geschrieben wird. Bischof Dr. Rudolf Voderholzer, Generalvikar Msgr. Dr. Roland Batz und Dompropst Prälat Dr. Franz Frühmorgen sowie weitere Mitglieder des Domkapitels waren unter den über 1.000 Besucherinnen und Besuchern des großen Jubiläumskonzertes am Samstagabend im Audimax der Universität Regensburg. Zahlreiche Eltern, ehemalige Domspatzen und Förderer des Regensburger Traditionschores waren ebenfalls der Einladung gefolgt, um das 1050-Jubliläum zu feiern. Durch den Abend führten wortgewandt Clemens Prokop von TYE Solutions, für die Domspatzen beratend tätig, und Marcus Weigl, Leiter Kommunikation & Marketing bei den Domspatzen.
Ein Fest für "Friends & Family"
Stationen der über tausendjährigen Geschichte wurden zum Klingen mit Chorwerken aus vielen Jahrhunderten gebracht. Dabei wechselten sich die vier Chöre mit rund 300 Sängerinnen und Sängern immer wieder ab. Zum Schluss gab es von allen Chören gemeinsam verschiedene Stücke rund um das Thema Vögel in der Musik. Das 1991 gegründete Spatzen-Quartett entführte in die 20er Jahre und die vier jungen Burschen von Free Vocals, die zurzeit auf Hype-Tour sind, begeisterten das Publikum im bis auf den letzten Platz besetzten Audimax mit ihrem poppigen A-Capella-Gesang. Beide Formationen setzten sich aus ehemaligen Sängern des Domchores zusammen.
Lauter Gratulanten
Während des gut dreistündigen Konzertes wurden immer wieder Videobotschaften eingespielt mit Glückwünschen, sei es vom Domkapellmeister emeritus Roland Büchner (1994 bis 2019), von Elisabeth Lehmann-Dronke, der Präsidentin des Deutschen Chorverbands Pueri Cantores oder von Markus Blume, dem Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst. Aus Rom grüßte – selbst Domspatz gewesen – Pater Robert Mehlhart OP, Präsident des Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik. Aus Köln sendete der Oberpfälzer Musiker Josef Menzl Grüße. Auch der Comedian Harry G., sein Vater war Präfekt im Internat der Domspatzen, und der irische Sänger Patrick Michael „Paddy“ Kelly gratulierten. Ebenso ließen es sich die Ulmer Spatzen und Alster Spatzen es sich nicht nehmen, ihren Namensvettern musikalische Glückwünsche zu überbringen.
„Singende Botschafter des Glaubens“
„Wenn in der Osternacht nach sechs Wochen Enthaltsamkeit wieder das Halleluja erklingt, dann geht einem das Herz auf“, so Dompropst Prälat Dr. Franz Frühmorgen, der im Domkapitel der Verantwortliche für die Domspatzen ist. Der fast mystische Gesang im Regensburger Dom St. Peter lasse einen was vom Transzendenten, vom Göttlichen, spüren. „Gut, dass es euch gibt, danke für alles, was ihr als singende Botschafter des Glaubens für den Glauben tut!“, so seine Dankesworte an die jungen Sängerinnen und Sänger. Nicht nur auf der Bühne waren Chormitglieder aktiv, auch in der Organisation oder als Platzanweiser mit eigenen Schärpen waren Aktive oder Ehemalige vertreten. Besonders ergreifend war das von allen Ehemaligen gemeinsam gesungene „Hab oft im Kreise der Lieben“.
Der Spatzen neue Kleider…
…so könnte ein Märchen heißen, doch die neuen Bühnen-Outfits der Knaben- und Männerchöre sowie der Mädchenchor der Regensburger Domspatzen sind Wirklichkeit, aber märchenhaft schön. Geschaffen wurden sie von keinem Geringeren als dem aus Franken stammenden Modedesigner Bernd Keller, der viele Jahre weltweit tätig war und für Hugo Boss, Adidas, Puma und Marc O’Polo oder Popsänger Robbie William und Michael Patrick Kelly die Outfits entworfen hat. Nicht nur die Knaben- und Männerchöre bekamen ein neues Bühnenoutfit, sondern auch der Mädchenchor. Der bekennende Christ und dreifacher Familienvater Keller sprach an diesem Abend von einer „zeitlosen Domspatzen-DNA, die Emotion, Disziplin und Klang in sich trägt“. Diese hat er dann versucht, in die neuen Bühnenoutfits einfließen zu lassen. Der tosende Applaus des Publikums und das gute Feedback der beiden „Modells“ ließen ahnen, dass es ihm gelungen ist. Der Applaus galt auch Hausschneiderin Birgit Ettl, die es gemeinsam mit ihrem Team innerhalb von zwei Wochen managete, dass über 60 Mädchen und junge Damen die neue Kleidung rechtzeitig bis zum Gala-Abend angepasst bekamen.
Das dunkle Kapitel
Und auch das Kapitel von Gewalterfahrungen und Missbrauch vieler Domspatzen hatte an diesem Abend seinen Platz im Programm. Im Jahre 2010 wurden Fälle von körperlicher und sexueller Gewalt in Einrichtungen der Domspatzen in der Öffentlichkeit bekannt. Mit seinem Amtsantritt 2013 macht Bischof Dr. Rudolf Voderholzer das Thema zur Chefsache und suchte auch die Gespräche mit den Opfern und Betroffenen. In einem Hirtenwort am 23. Juli 2017 wandte er sich an die Gläubigen im Bistum, in dem er „in Demut (…) anstelle der Täter, von denen die meisten verstorben sind, um Vergebung“ bat, verbunden mit der Bitte, „dass diese Entschuldigung von den Betroffenen angenommen werde.“ Ein bewegender Moment, als Domkapellmeister Christian Heiß alle Ehemaligen im Saal einlud, sich an ihrem Platz zu erheben und mit mit den aktuellen Männerstimmen gemeinsam den Silcher-Satz „Hab oft im Kreise der Lieben“ zu singen.
Domspatzen-Barometer
An diesem Abend wurde auch die App „Domspatzen-Barometer“ vorgestellt, in der mit Hilfe von 50 kurzen Fragen die Marke Domspatzen beschrieben werden kann. Fleißig wurde dann in der Pause der QR-Code gescannt und losgelegt. Unter Anleitung von Domkapellmeister Christian Heiß legten Dompropst Dr. Frühmorgen und Generalvikar Dr. Batz gleich mit der Beantwortung los, dies unter dem interessierten Blick von Bischof Rudolf. Gegen Ende des Abends wurde dann das Ergebnis präsentiert: Die Begriffe Freundschaft, Herausforderung, Leistung und Tradition kamen am häufigsten vor und wurden bei über 96% der Befragten genannt.
„Kulturelle Botschafter Regensburgs in der Welt“
Wer nun an diesem Abend stolzer auf die Sängerinnen und Sänger war, Domkapellmeister Christian Heiß, Chorleiterin Kathrin Giehl, die Leiterin des Mädchenchors, Elena Szuczies, und Chorleiter Max Rädlinger auf der einen Seite, oder die anwesenden Eltern und Familienangehörigen auf der anderen, das ist schwer zu sagen. Sicher ist auf jeden Fall, es war ein Abend der musikalischen Superlative, der Feier zum 1050. Geburtstag angemessen. Seit über einem Jahrtausend erfüllen die Domspatzen den heimlichen Titel Regensburgs „Welthauptstadt der Kirchenmusik“ mit klingendem Leben.