Eine mehrdimensionale Ausstellung von Julia Krahn zum Thema „Harmonie“
Anlässlich des 1050-jährigen Bestehens der Regensburger Domspatzen präsentieren die Kunstsammlungen des Bistums Regensburg in Zusammenarbeit mit dem berühmten Chor eine Ausstellung der Künstlerin Julia Krahn. Ein künstlerisches Erlebnis, das Harmonie, Musik und Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellt. „weiss sind alle farben. Julia Krahn über die Harmonie“, so lautet der Titel der Schau. Sie ist von 28. Mai bis 3. August in der gotischen Kirche St. Ulrich am Regensburger Dom zu sehen.
Die Ausstellung widmet sich zentral dem Thema „Harmonie“ – einer Idee, die in der Musik allgegenwärtig ist und gleichzeitig als Vision für ein zukünftiges, gemeinschaftliches Zusammenleben verstanden werden kann. Was verbindet uns genau in der Harmonie? Gefühle und Erfahrungen, aber rein physikalisch gesehen auch die Luft. Durch sie, die auch Trägerin der Töne ist, können wir uns austauschen, einstimmen, verbinden, Stille teilen oder neue Harmonien schaffen.
Harmonie als Zukunftsvision
„Wenn wir unseren Atem bewusst als Verbindung verstehen, wird unser Zusammenleben an Empathie und Achtsamkeit gegenüber unseren Mitmenschen und dem Planeten gewinnen“, ist Julia Krahn überzeugt. Im Dialog mit den Sängerinnen und Sängern des Chors entstand eine eindrucksvolle Serie von großformatigen Porträts, die auf fünf Meter lange Stoffbahnen gedruckt sind. Sie bilden einen transparenten Raum im Inneren der Kirche. Die Perspektiven der Portraits passen sich der Position des gehängten Bildes an. Die seitlichen Torsos sind leicht gedreht, nur das zentrale Portrait blickt direkt geradeaus, gen Eingang zu gerichtet. Die Arbeiten schaffen in St. Ulrich, einer der frühesten gotischen Kirchen Deutschlands, eine besondere Atmosphäre: Leicht und durchscheinend formen sie einen neuen Raum im Raum und laden ein, Harmonie mit allen Sinnen neu und von ungeahnter Größe zu erfahren. „Wir atmen, sprechen, singen alle in derselben Luft. Sie nährt uns. So können wir auch den Nächsten mit unserem Atem, in Ton gekleidet, nähren, denn Liebe selbst ist Leben”, sagt die Künstlerin.
Kraft der Stimme und der Gemeinschaft
Zusätzlich zu den Porträts steht die menschliche Stimme als Symbol für Verbindung und Gemeinschaft im Mittelpunkt der Ausstellung. Ein besonderes Highlight ist die Aufnahme von isolierten Stimmen der Domspatzen, die das Stück „Incipit Lamentatio“ von Giovanni Pierluigi da Palestrina singen. Dieses Werk gehört wie kein zweites zur DNA dieses wohl ältesten Knabenchors der Welt. Das Abspielen der Einzelstimmen macht symbolisch die zunehmende Individualisierung unserer Gesellschaft hörbar, die nicht selten in Einsamkeit mündet. Sobald alle Stimmen dann zusammenklingen, wird klar, wie wichtig jede einzelne Stimme für den harmonischen Zusammenklang ist. Jede Stimme ist Teil eines größeren Ganzen. Analog zur Welt der Farben, in der weiß alle Farben in sich vereint. Ein Platz in der Mitte des Ausstellungsraumes lädt die Besucherinnen und Besucher ein, selbst Teil des Erlebnisses und Ganzen, Teil der Gemeinschaft, zu werden – sei es durch eigenes Sprechen oder Singen.
Skulpturen als Medium
Im südlichen Seitenschiff der Kirche werden Skulpturen aus der Serie ORGANO (2020) präsentiert: Sie erinnern an Körperteile, aber auch an Blumenvasen oder Blasinstrumente. Jede Skulptur umschließt einen Hohlraum mit unterschiedlichen Öffnungen. Es sind Objekte, die ihrer funktionalen Realität entzogen sind, damit sie einen symbolischen Wert annehmen können. Der Durchgang von Wellen, Flüssigkeiten, Geräuschen und Luft durch diese Hohlräume, die bereit sind, sie aufzunehmen, macht die Entstehung immer wieder neuer Ereignisse möglich. Die Künstlerin beschreibt sie als Raum der Union und Transformation.
Ein Raum für neue Klänge und Begegnungen
Die gotische Architektur von St. Ulrich wird durch die Ausstellung in ihrer Wirkung verstärkt. Durch die Portraits und die Musik der Regensburger Domspatzen wird der Raum zu einem Ort der Begegnung, an dem die Kraft der Harmonie unmittelbar erfahrbar wird. Kunst, Musik und Architektur verschmelzen zu einem großen Ganzen. Ein vielfältiges Begleitprogramm mit Konzerten und interaktiven Angeboten rundet die Ausstellung ab. Die Finissage am 3. August 2025 bildet den Abschluss dieses kulturellen Highlights.
„weiß sind alle farben. Julia Krahn über die Harmonie“ – 28. Mai bis 3. August 2025
Museum St. Ulrich, Domplatz 2, 93047 Regensburg
Öffnungszeiten: täglich, 11:00 bis 17:00 Uhr
Infos: www.bistumsmuseen-regensburg.de
Julia Krahn – die Künstlerin
Julia Krahn ist eine deutsche multidisziplinäre Künstlerin. Sie wurde 1978 in Jülich geboren und wuchs in Aachen auf. Um sich ganz der Kunst zu widmen, brach sie 2001 ihr Medizinstudium ab und zog nach Mailand, wo sie lebt und arbeitet. Während des Lockdowns eröffnete sie ein neues Studio in Santa Lucia, im Zentrum von Sorrent. Julia Krahns Arbeit definiert Symbole, Traditionen und Anschauungen durch ihre Fotografie neu. So zeichnen sich ihre Arbeiten durch eine fließende Mehrdeutigkeit aus. Die Künstlerin nutzt die Fotografie, um Personen, Gegenstände, Situationen als Gegenwartszeugen zu konstituieren und schafft ihnen einen neuen, häufig ungewohnten, zeitübergreifenden Kontext. Oftmals schöpft sie aus dem Repertoire religiöser Bildgeschichte und konfiguriert in verfremdeter Weise das Altvertraute verstörend neu. So entstehen Bilder, die den Kontrast zu traditionellen Symbolen betonen und nichts revitalisieren, sondern radikal neu inszenieren. Die Leiblichkeit des Menschen und seine Vergänglichkeit bleiben fortwährender Hintergrund ihrer Kunst. Julia Krahns Arbeiten werden international ausgestellt. 2023 erhielt sie in Regensburg den Schnell & Steiner Kulturpreis “Kunst und Ethos”.
Mit dieser Ausstellung verwirklicht die Künstlerin ein lang ersehntes Projekt. In diesem kristallisieren sich Erfahrungen zu einer gesamtgesellschaftlichen Vision und werden von Kindern interpretiert – Kinder, die schon heute unsere zukünftige Gesellschaft repräsentieren. Julia Krahns künstlerische Arbeit beschäftigt sich seit zwanzig Jahren mit den Herausforderungen der menschlichen Existenz, den zu überwindenden Hindernissen und daraus entstehenden Kräften.
Zitate von Julia Krahn
„Wenn wir unseren Atem bewusst als Verbindung verstehen, wird unser Zusammenleben an Empathie und Achtsamkeit gegenüber unseren Mitmenschen und dem Planeten gewinnen“ (JK)
“Wir atmen, sprechen, singen alle in derselben Luft. Sie nährt uns. So können wir auch den Nächsten mit unserem Atem, in Ton gekleidet, nähren, denn Liebe selbst ist Leben.” (JK)
„Das Gehörtwerden durch viele liegt der musikalischen Objektivierung selbst zugrunde, und wo es ausgeschlossen wird, reduziert sich diese notwendigerweise auf etwas fast Fiktives, auf die Arroganz des ästhetischen Subjekts, das Wir sagt, während es nur Ich ist, und doch kann nichts gesagt werden, ohne das ‚Wir‘ hinzuzufügen.“ (Adorno)
